Erkundungen #1 – Erzählungen aus Afropa

Erkundungen #1 – Erzählungen aus Afropa

In der Reihe Erkundungen #1 – Erzählungen aus Afropa präsentieren wir im Oktober drei künstlerische Positionen aus verschiedenen subsaharischen afrikanischen Ländern, in denen die komplexen Beziehungsgeflechte zwischen Afrika und Europa in individuellen (fiktionalen) Geschichten im Mittelpunkt stehen, ebenso wie die oft schmerzvolle Beziehung zwischen den beiden Kontinenten ideengeschichtlich untersucht wird.

Robert Ssempijja aus Uganda verhandelt in You judge seine Umgangsweisen mit den Erwartungshaltungen, die ihm aus seiner Familie und seiner Herrkunftsgemeinschaft entgegen gebracht werden. Diese Themen implizieren ebenso eine Auseinandersetzung mit seiner Künstlerexistenz auf dem europäischen Markt der Performing Arts. So öffnet er mit seinem Stück einen Reflexionsraum, in dem sowohl die Auseinandersetzung mit seiner persönlichen Familiengeschichte Platz findet ebenso wie er sich und dem (europäischen) Publikum die Frage stellt, welche Augen ihn in den hiesigen Theatern auf welche Weise betrachten.

 

Dido, der Protagonist in Dieudonné Niangounas Stück De ce côté konfrontiert uns mit der Zerrissenheit eines westafrikanischen politischen Flüchtlings, der in Europa Zuflucht vor Verfolgung gefunden hat. Die Figur, die als Schauspieler jedoch keinen Weg auf die europäischen Bühnen findet, wird geplagt von Schuldgefühlen und der Frage, wo ihr Platz in dieser ihr fremden Umgebung sein könnte. Wo ist ihre Position und wie kann sie zu einem Publikum sprechen – und zu welchem? Das Stück konfrontiert uns mit ihrer in Europa empfundenen Fremdheit – gegenüber dem neuen Lebenskontext ebenso wie gegenüber sich selbst. Es lädt ein europäisches Publikum auf diese Weise ein, dem Gefühl der Fremdheit aus einer afrikanischen diasporischen Perspektive nachzuspüren.


Martin Ambara schließlich präsentiert seine aktuellen Recherchen in der
(Lecture-)Performance Sundeita Keita und die Manden Charta. In diesem Manifest, welches im 13. Jahrhundert in der Sahelzone formuliert wurde, sind die Menschenrechte bereits Jahrhunderte vor ihrer Verabschiedung durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen nach dem zweiten Weltkrieg aber auch Jahrhunderte vor ihrer Erfindung im Umfeld der Revolutionen im 18. Jahrhundert – so die westliche ideengeschichtliche Erzählung – prototypisch formuliert. Das Unwissen über diese Charta und deren Irrelevanz in den heutigen Diskursen der Menschenrechte konfrontieren uns einmal mehr mit der Arroganz, mit welcher die Europäer*innen oder sog. westliche auf afrikanische Kulturen und deren Geschichte schauen – nämlich meistens gar nicht. Martins Projekt, welches wir in einem ersten Schritt 2022 als Präsentation von Recherchematerial präsentieren, eröffnet eine Diskussion, die diese ideengeschichtliche Isolation aufbricht und vor allem auch andere Überlieferungsformen historischer Kontexte in den Mittelpunkt stellt. So bereitet er mit seinem Projekt den Weg für eine postkoloniale Neugestaltung der Fundamente politischer, gesellschaftlicher und kultureller Plattformen, auf denen sich westliche Kulturen und solche des globalen Südens gleichberechtigter begegnen können.

 

Die hier in einer Reihe präsentierten Erzählungen etablieren einen gemeinsamen narrativen und historischen Raum zwischen afrikanischen und europäischen Kontexten, der uns verbindet und dessen Existenzbedingungen und Ausgestaltungen wir immer wieder aufs neue gemeinsam reflektieren und weiterentwickeln müssen, um notwendige Antworten auf die Frage zu finden, wie wir uns in einer multipolarer werdenden Welt von der westlichen diskursiven Dominanz verabschieden und anders begegnen können – etwa indem wir auf neue Weisen einander zuhören – und den Erzählungen aus Afropa lauschen.

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