Decolonial Dienstag - Eine Projektreihe zur gesellschaftlichen Gegenwart und möglichen Zukünften

Unter dem Titel Decolonial Dienstag. Eine Projektreihe zur gesellschaftlichen Gegenwart und möglichen Zukünften, ausgehend von der Kolonialgeschichte des Fredenbaumparks, hat das Theater im Depot 2024 eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem bislang wenig beachteten kolonialen Erbe in Dortmund initiiert.

Der Fredenbaumpark war ab 1884 über mehrere Jahrzehnte hinweg zentraler Veranstaltungsort für Kolonialausstellungen und sogenannter Völkerschauen – ein Ort rassistischer Zurschaustellung zumeist außereuropäischer Menschen im Kontext des historischen Kolonialismus.

Der (regionale und der lokale) Anlass:
Völkerschauen im Fredenbaumpark

Im Zusammenhang mit dem europäischen Kolonialismus gab es in europäischen Städten Veranstaltungen und Ausstellungen, in denen Menschen aus anderen Erdteilen in sogenannten Völkerschauen von Europäer*innen inszeniert und ausgestellt wurden. In Deutschland fanden solche Ausstellungen nahezu überall statt. Auch im Ruhrgebiet, insbesondere in Duisburg, Essen und in Dortmund, vor allem im Fredenbaumpark.

Der Fredenbaumpark liegt am nördlichen Ende der Nordstadt. Der Park wurde Ende des 19. Jahrhunderts gebaut und eröffnet und ist heute ein Landschaftspark, der seine jetzige Gestalt ab den 1950er Jahren erhielt. Ab 1912 war der Park geprägt durch den sogenannten Lunapark, einem Vergnügungspark, mit welchem Dortmund dem Wiener Prater oder dem Berliner Lunapark nachzueifern versuchte.

Die sogenannten Völkerschauen wurden in Deutschland parallel zum expandierenden Kolonialismus des Deutschen Reichs populär und waren insbesondere ein Instrument der Popularisierung und Rechtfertigung der Kolonialpolitik und deren Fortentwicklung.

Zum Völkerschau-Programm im Fredenbaum gehörten dabei europaweit tourende Gruppen, etwa des Hamburger Impresarios Carl Hagenbeck, sowie lokale, aus einem lokalen Schausteller-Gewerbe heraus organisierte, Veranstaltungen. Heute jedoch erinnert vor Ort nur noch wenig an die Geschichte des Parks im Dortmunder Norden.

Welche Rolle spielten Völkerschauen?

In den historischen Völkerschauen verschränken sich verschiedene komplexe historische Themenfelder. Die Schauen gehörten zu einer sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelnden Freizeitkultur, der vor allem neuen gesellschaftlichen Schicht der Fabrikarbeiter*innen. Letztlich wurden sie jedoch von Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten besucht und betrachtet. Im Kontrast zur bildungsorientierten Freizeitkultur des Bürgertums (Theater, Museen, Bibliotheken etc.) entwickelte sich eine Arbeiter*innen-Freizeitkultur, welche einerseits auf Vergnügen und Unterhaltung, andererseits auf – angeblich wissenschaftliche fundierte – Wissensvermittlung ausgerichtet war (Varietés, Panoramen, Schaustellerei, später etwa das Kino und Vergnügungsparks etc.). Die exotisierenden Zurschaustellungen von Menschen aus anderen Erdteilen dienten u.a. der sozialen Integration dieser neuen Bevölkerungsschicht. Durch die Vorführung mannigfacher Bilder von europäischen Anderen wurde an der Manifestation einer überlegenen, weißen europäischen Kultur gearbeitet.

Die weißen Betrachter*innen der Ausgestellten konnten zudem für einen Moment ihre eigenen sozialen Unterschiede vergessen und sich als Betrachter*innen vereint in einer vorgeblichen Überlegenheit fühlen, während die Betrachteten einer niedrigeren Hierarchiestufe menschlicher Entwicklung zugeordnet wurden. Viele der Schauen gaben dabei vor, Wissen über andere Erdteile und die dort lebenden Menschen zu vermitteln.
Ebenso wurden an den Ausgestellten vor Ort immer wieder Forschungen zu »Physiognomie« und »Intelligenz« etc. vorgenommen. Im Verein mit Publikationen, (häufig frei erfundenen) Reisebeschreibungen sowie der massenweisen Verwendung von Bildern dieser Anderen in der zeitgenössischen deutschen und europäischen Werbung, etablierten sich so auf vielen verschiedenen Ebenen Bilder einer weißen kulturellen ebenso wie evolutionären Suprematie und ein natürliches Verständnis von der Legitimität europäisch-weißer – wirtschaftlicher, politischer, kultureller und militärischer – Expansion unter dem Schlagwort von Modernismus und Fortschritt.

Projektzusammenhang Decolonial Dienstag

Unter dem Titel „Decolonial Dienstag“, haben wir eine Reihe ins Leben gerufen, welche sich in öffentlichen und teil-öffentlichen Veranstaltungen durch Lesungen, Workshops, Exkursionen sowie Diskursformate mit dieser Geschichte und insbesondere der Geschichte der Völkerschauen im Fredenbaumpark beschäftigt. Die Partizipation der Teilnehmenden stellt dabei einen grundlegenden Aspekt der Zusammenarbeit dar.

Förderer

Der Fredenbaumpark - Programm 2024: gefördert durch den Diversitätsfonds des Ministeriums Kunst und Wissenschaft des Landes Nordrhein Westfalen, das Kulturbüro der Stadt Dortmund und Fonds Soziokultur.

Pluriversen lokal 2025
: gefördert durch Interkultur Ruhr – Kultur der Vielfalt, dem NRW LAndesbüro freie Darstellende Künste, sowie einer Projektförderung des Kulturbüros der Stadt Dortmund.

Decolonial Dienstag – Heimatlabor Fredenbaum #1: gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen sowie im Rahmen des Programms KUNST.DIVERS des Kulturbüros Dortmund.

Decolonial Dienstag – Heimatlabor Fredenbaum #2: gefördert durch die LAG Soziokultur NRW aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen und durch die Bezirksvertretung Innenstadt-Nord Dortmund.

Programmpunkte
Spielzeit 2024 / 2025

Muzungu Tribes / Teddy Mazina: Ausstellung im A29

Workshop und Vortrag von Cuso Ehrlich »Kolonialismus unsere Stadt und Wir«

Workshop »Dekolonialer Webstuhl« mit Svenja Wolff & Aziza Bouizedkane

Open Decks / Open Space: Austausch, Lesegruppe, Food & Music

Ausflug Arnheim zur Performance »No More White Money«

Vortrag Aylin Oğuş »Kolonialismus und unsere Körper«

Reading Session mit Yacouba Coulibaly

Vortrag Cuso Ehrlich
Workshop "Dekolonialer Webstuhl"
Eröffnung Teddy Mazina
Lesegruppe
Lesegruppe
Eröffnung Teddy Mazina
Workshop Dekolonialer Webstuhl
gemeinsames Kochen und Essen
Lesegruppe

Programmpunkte
Spielzeit 2025 / 2026

wöchentliches, offenes Tanztraining mit Emmanuel Edoror

Ausstellungs- und Theaterbesuche zum Themenkomplex

Archivgruppe mit Fidel Amoussou-Moderan von Decolonize Dortmund

Film- und Videogruppe mit Sören Meffert

Dinner for ALL - performatives Dinner im November 2025

Abschlussveranstaltung mit Performance der Projektgruppe Tanz/Performance im Dezember 2025

Interessierte melden sich gerne unter birgit.goetz@theaterimdepot.de

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